»Der Glöckner von Notre-Dame« von Victor Hugo & Georges Bess
Nach seinen eindringlichen Interpretationen von Bram Stokers »Dracula« und Mary Shelleys »Frankenstein« wendet sich Georges Bess nun Victor Hugos epochalem Werk »Der Glöckner von Notre-Dame« zu. Mit seinen unverkennbaren Zeichnungen und einem Gespür für das Dramatische bringt Bess eine Geschichte auf die Seiten, die seit Generationen fasziniert – eine Geschichte von Schönheit und Hässlichkeit, Liebe und Grausamkeit, die tief in den Schatten des mittelalterlichen Paris eintaucht.
Handlung
»Der Glöckner von Notre-Dame« spielt im Paris des 15. Jahrhunderts und erzählt eine dramatische Geschichte voller Gegensätze. Im Mittelpunkt stehen die Figuren Quasimodo, der Glöckner der Kathedrale und Esmeralda, eine junge Tänzerin, deren Leben untrennbar miteinander verbunden werden. Die Kathedrale Notre-Dame ist mehr als nur der Schauplatz der Handlung. Sie steht symbolisch für die Themen Schönheit und Hässlichkeit, Macht und Ohnmacht, Liebe und Ablehnung. Die Geschichte beleuchtet dabei die Abgründe und Hoffnungen der Menschen in einer komplexen Gesellschaft. Die Story ist zugleich düster, leidenschaftlich und zeitlos.
Figuren
Der taube und entstellte Glöckner Quasimodo wird von der Gesellschaft verstoßen und lebt zurückgezogen im Schatten der Kathedrale, die ihm Schutz und Heimat bietet. Obwohl sein Äußeres Furcht einflößt, verbirgt sich hinter der deformierten Fassade ein empfindsames und loyal liebendes Herz. Seine Bindung zur Kathedrale ist tief und symbolisch: Wie er selbst ist sie ein Außenseiter in einer Welt, die auf Schönheit und Perfektion bedacht ist. Quasimodo steht für die schmerzhafte Sehnsucht nach Akzeptanz und Liebe, die ihm die Welt verweigert.
Esmeralda ist das genaue Gegenteil von Quasimodo – ihre Schönheit zieht die Blicke aller auf sich, doch auch sie ist ein Opfer der Vorurteile ihrer Zeit. Als freigeistige Tänzerin und Außenseiterin kämpft sie um ihren Platz in einer feindseligen Gesellschaft. Mit ihrer Anmut und ihrem Mitgefühl berührt sie die Menschen um sie herum, aber gerade diese Eigenschaften machen sie zur Zielscheibe von Begierde und Hass. Esmeralda verkörpert die Unschuld, die in einer brutalen Welt ums Überleben kämpft, und ist zugleich ein Symbol für die zerstörerische Kraft unerfüllter Liebe.
Artwork
Das Artwork von Georges Bess ist von beeindruckender Detailfülle und visueller Dramatik geprägt. Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen erzeugen eine kraftvolle, oft düstere Atmosphäre, die perfekt zur Thematik des Werks passt. Mit feinen Schraffuren und markanten Kontrasten verleiht Bess den Bildern eine Tiefe, die die monumentale Architektur der Kathedrale ebenso lebendig macht wie die Menschenmassen und einzelnen Figuren. Seine Panels sind durchdacht komponiert und vermitteln Dynamik, Spannung und Emotion gleichermaßen. Die Zeichnungen wirken roh und kraftvoll, wodurch die Tragik der Geschichte und die Härte der dargestellten Welt noch intensiver spürbar werden.
Fazit
Georges Bess’ Comic-Adaption von »Der Glöckner von Notre-Dame« hat mich vollkommen überzeugt. Mit seinen kraftvollen Zeichnungen und der detailreichen Inszenierung gelingt es ihm, die düstere Atmosphäre und die emotionale Tiefe von Victor Hugos Klassiker meisterhaft einzufangen. Besonders beeindruckt hat mich, wie Bess die tragischen Figuren und die monumentale Architektur visuell zum Leben erweckt.
Dieser Comic ist ein absolutes Muss für Fans von anspruchsvollen Graphic Novels und für alle, die literarische Klassiker aus einer neuen Perspektive erleben möchten. Auch Leserinnen und Leser, die sich von dramatischen, kunstvollen Bildern fesseln lassen wollen, werden hier auf ihre Kosten kommen. Ein Meisterwerk, das die Essenz der Vorlage bewahrt und gleichzeitig eine eigenständige künstlerische Interpretation liefert.
Bibliografie
Titel: Der Glöckner von Notre-Dame
Szenario: Victor Hugo, Georges Bess
Zeichnungen: Georges Bess
Übersetzung: Harald Sachse
Verlag: Splitter
ISBN: 978-3-98721-400-4
Seiten: 208
Werbung | Rezensionsexemplar