»Orlando« von Virginia Woolf

 

Seitdem ich im Jahr 2022 eine Comic-Biografie über Virginia Woolf gelesen habe, interessiere ich mich sehr für sie und ihre Werke. Aus diesem Grund konnte ich mir »Orlando« nicht entgehen lassen. Der Roman ist bereits im Jahr 1928 erschienen. Fun Fact: In diesem Jahr endet die Handlung des Buches. »Orlando« ist Woolfs Freundin Vita Sackville-West gewidmet. Der Roman enthält ein Vorwort von Schauspielerin Tilda Swinton, die im Jahr 1992 Orlando in einer Verfilmung spielte.

Die Handlung beginnt im England des 16. Jahrhunderts – als Königin Elisabeth I. (Haus Tudor) den Thron bekleidet – und erstreckt sich bis zum Jahr 1928. Das bedeutet, dass wir unsere Hauptfigur Orlando etwa vierhundert Jahre lang begleiten, was ich extrem spannend fand, da ich ein Fan davon bin, wenn Buchcharaktere lange Zeitspannen überbrücken. Dies ist jedoch nicht das Einzige, was den Roman besonders macht. Die wahrscheinlich noch aufregendere Tatsache ist, dass Orlando eine Geschlechtsumwandlung vollzieht. Dies geschieht zwar wie durch Zauberhand und wird in dem Buch nicht näher erläutert, aber das ist auch nicht schlimm, denn Woolf gelingt es trotzdem auf die Geschlechterrollen einzugehen. Wir begleiten also einen Mann, der zur Frau wird und der Zeit trotzt.

Orlando ist eine der interessantesten Figuren, die mir bis jetzt begegnet sind. Der Grund dafür ist nicht nur Orlandos Geschlechtsumwandlung, sondern auch die Art zu denken oder einem Gedanken nachzugehen. Orlando besitzt das Talent, einen Gedanken derart weiterzuspinnen, dass ich manchmal nicht mehr wusste, worum es ursprünglich ging. Erzähltechnisch wurde dies in Form von Schachtelsätzen und endlosen Aufzählungen umgesetzt. Es war für mich manchmal nicht einfach, einem Satz zu folgen bzw. bei längeren Sätzen musste ich mich sehr konzentrieren.

Dadurch, dass Orlando ein Mann ist, der zu einer Frau wird, ist das Thema Identität ganz zentral und zieht sich dementsprechend durch das ganze Buch. Dabei zeigt Woolf sowohl kritisch als auch mit einer Prise Ironie, wie Männer und Frauen in der Gesellschaft wahrgenommen werden und welchen Einfluss die jeweilige Epoche und das Zeitalter auf das Dasein haben. So sinniert Orlando mehrere Male sowohl über den Geist der Zeit als auch über den Sinn des Lebens nach, was wiederum die Leserschaft ins Nachdenken stürzt.

Ein weiteres stets präsentes Thema ist das Schreiben und Literatur. Dies ist einer der Punkte, die (wie ich finde) Virginia Woolf von sich einfließen ließ, da Literatur und Schreiben in ihrem Leben eine enorme Rolle gespielt haben. Es ist also nicht überraschend, dass Orlando sich viel mit dem Thema auseinandersetzt und selbst schreibt. Ein weiteres spannendes Thema sind die Unterschiede zwischen dem Adel und dem einfachen Volk. Interessanterweise hat sich Orlando als eine Person erwiesen, die zwar viele Privilegien genießt, aber trotzdem immer wieder das Einfache vorzieht.

Der Roman ist unter anderem eine fiktive Biografie, die Porträts von Orlando und ein Personen-Register am Ende des Buches enthält. Erzählt wird aus der Sicht eines Biografen, der stets von sich wissen lässt, da er von sich in dritter Person spricht. Es kommen reale historische Personen wie Königin Elisabeth I., Dichter Alexander Pope, Politiker Joseph Addison und der Schriftsteller Jonathan Swift vor.

 

Fazit

»Orlando« von Virginia Woolf ist einfach großartig! Ich finde, alle sollten dieses Buch kennen.

 

 

Bibliografie
Titel: Orlando – Eine Biographie
Originaltitel: Orlando. A Biography
Autorin: Virginia Woolf
Übersetzung: Karl Lebs
Verlag: Kampa
ISBN: 978 3 311 15041 1
Seiten: 368

 

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